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10. September 2024
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Medienmitteilung des Regierungsstatthalteramts Bern-Mittelland vom 10. September 2024
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Regierungsstatthalterin heisst Beschwerde gegen Verlängerung der Überbrückungshilfe in der Stadt Bern gut

Die Stadt Bern hat 2023 die Überbrückungshilfe für armutsbetroffene Ausländerinnen und Ausländer mit gültigem Aufenthaltsstatus B, C, F oder L sowie für Personen, die über keine Aufenthaltsberechtigung verfügen (sogenannte Sans-Papiers), eingeführt. Regierungsstatthalterin Ladina Kirchen würdigt die Überbrückungshilfe als Sozialhilfe und kommt zum Schluss, dass die Ausrichtung der Überbrückungshilfe durch die Stadt Bern wegen Verstosses gegen die bundesrechtlich statuierte ausländerrechtliche Meldepflicht von Sozialhilfe widerrechtlich ist.

Die Stadt Bern lancierte anfangs 2023 das Pilotprojekt «Überbrückungshilfe» und schloss mit der röm.-kath. Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung den Leistungsvertrag 2023 ab. Der entsprechende einjährige Leistungsvertrag mit der Fachstelle Sozialarbeit der römisch-katholischen Gesamtkirchgemeinde Bern und Umgebung (FASA) wurde vom Gemeinderat genehmigt und Ende 2023 um ein weiteres Jahr verlängert.

Ziel der Überbrückungshilfe ist der Schutz vor unmittelbarer Not und die Stabilisierung oder Verbesserung der finanziellen Situation von Personen in prekären Lebenslagen, namentlich von armutsbetroffenen Personen mit gültigem Aufenthaltsstatus B, C, F oder L sowie Personen, die über keine Aufenthaltsberechtigung verfügen (sogenannte Sans-Papiers), welche aus Angst vor ausländerrechtlichen Konsequenzen keine Sozialhilfe beziehen. 

Überbrückungshilfe umgeht nationales Recht

Zwei Beschwerdeführer hatten in ihrer Beschwerde vom 15. Januar 2024 mehrere Rügen gegen die Verlängerung der Überbrückungshilfe durch den Gemeinderatsbeschluss vom 13. Dezember 2023 erhoben. Die Beschwerdeführer argumentierten unter anderem, die Einführung resp. Verlängerung der Überbrückungshilfe verstosse gegen die ausländerrechtliche Meldepflicht von Sozialhilfe gemäss Art. 82b der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE). Die Meldung dient dazu, dass die Migrationsbehörden frühzeitig über bedeutsame Informationen verfügen, welche für die Beurteilung der ausländerrechtlichen Verfahren von Belang sein könnten. Je nach Ausländerstatus kann jeder Bezug von Sozialhilfe ausländerrechtliche Konsequenzen haben und zu einer Nichtverlängerung des Aufenthaltsrechts führen oder ein Widerruf desselben drohen.

Diese ausländerrechtliche Rüge beurteilt die Regierungsstatthalterin als stichhaltig. Zielgruppe der Überbrückungshilfe sind Ausländerinnen und Ausländer, welche aus Angst vor negativen ausländerrechtlichen Konsequenzen keine ordentliche Sozialhilfe beantragen, und zwar auch nicht einmalige Leistungen, da die Meldepflicht ab dem ersten Sozialhilfebezug erfolgt. Durch das Angebot der Überbrückungshilfe wird verhindert, dass derartige ausländerrechtliche Konsequenzen eintreten könnten, weshalb sie den bundesrechtlich gewünschten ausländerrechtlichen Mechanismen zuwiderläuft und damit eine direkte Umgehung und Vereitelung der migrationsrechtlichen Meldepflicht gemäss Art. 82b VZAE darstellt. Die Regierungsstatthalterin würdigt die Überbrückungshilfe als Sozialhilfe und kommt demnach zum Schluss, dass die Ausrichtung der Überbrückungshilfe durch die Stadt Bern widerrechtlich ist.

Die Regierungsstatthalterin heisst die Beschwerde hinsichtlich der Verlängerung der Überbrückungshilfe ab Januar 2024 gut. Den Leistungsvertrag 2023 beurteilt sie jedoch nicht als nichtig, da die Rechtssicherheit klar das Interesse an der richtigen Durchführung des objektiven Rechts überwiegt. Angesichts der Vielzahl von Empfängern und namentlich auch Dritten, welche durch die Begleichung von Rechnungen Gelder bezogen haben, wäre eine Rückabwicklung praktisch nicht durchführbar. Zudem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsparteien bewusst einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführen wollten. Somit geht die Regierungsstatthalterin nicht von der Nichtigkeit des Leistungsvertrages 2023 aus. In diesem Punkt weist sie die Beschwerde vom 15. Januar 2024 ab. Im Übrigen tritt sie auf die Beschwerde vom 15. Januar 2024 hinsichtlich der Einführung der Überbrückungshilfe im Januar 2023 wegen verpasster Frist nicht ein.

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